Klein und rund sind auch die Klößchen aus Mark und geriebenem Weißröstbrot in der klaren Rinder- oder Hühnerbrühe. Und die heißen im Rheinischen »Bällches« (im Köln-Neußer Sprachraum) und »Bällekes« in Düsseldorf.
Wie kommt es nun zur Bedeutung: Zuckerbonbon?
Eigentlich sind die kleinen Stückchen bei uns die »Klömpkes« (die Klümpchen, die kleinen Klumpen). Und das waren die von einer Malztafel abgebrochenen, süßen Stücke, also Stückchen, Malzzuckerstückchen: de Klömpkes. Sind die Klömpkes aber rund oder abgerundet, dann sehen sie aus wie kleine Bälle, in unserer Mundart »Ballkes«, also normdeutsch: Bällchen.
Im sprachlich benachbarten Niederländischen bezeichnet ‘balleke’ dialektal eine Süßigkeit aus hart gekochtem Zucker in zumeist kugeliger Form. Balleke ist die Verkleinerungsformen von ‘Ball’.
So hat die Form dem Zuckerklümpchen den Namen »Ballke, Ballkes« gegeben.
Heute ist allgemein das aus der französischen Kindersprache entlehnte Bonbon (= Gutgut) üblich.
Der »Fisternölles« ist aber auch der Nörgler, der überall etwas zu bekritteln hat und nicht zuletzt auch deshalb als Kleinigkeitskrämer oder kleinlicher Mensch angesehen wird, der sich um Angelegenheiten kümmert, die ihn nichts angehen.
»Fistere« ist kritisieren, bekritteln, gleich bedeutend mit der verbalisierten Langform »fisternölle«, das auch in der Nebenbedeutung ‘nörgeln’ gebraucht wird.
»Nölles«, auch »Nöles«, ist die rheinische Form des Vornamens Arnold, den es auch in der Variante »Nöldes« und im Diminutiv »Nöllche« gibt. Warum dieser Vorname mit »fistere« in Verbindung gebracht wird, ist nicht klar, hat aber sicherlich nichts mit dem Vornamen als Solchem zu tun, denn auch andere Vornamen werden an bestimmte Tätigkeiten geheftet, um den zu beschreibenden Typ zu charakterisieren: Piefehännes, Pitterlöres, Miesepitter, Transuse, u. a.
Bleibt noch die Frage nach der Etymologie des Wortteils »Fister«. Dem wird das Althochdeutsche ‘Pfister’ (lat. pistor) zugrunde gelegt. Der Pfister war der Klosterbäcker, der kleines, feines Gebäck nach geheimem Rezept herstellte. Die Berufsangabe wurde zum Familiennamen.
Dass der »Fisternölles« auch seltsame, geheime Geschichten, also »Fisternöllches« oder »Fisternöllekes« verbreitet, weist sprachlich auf den französischen ‘Fils de Noel’, den Sohn des Weihnachtsmanns hin. Das Kind, das das junge Mädchen neun Monate nach Weihnachten bekommt, dessen Vater es nicht kennt oder nicht kennen will, entstammt einer geheimen Liaison. Da es aber einen Vater geben musste, war der insgeheim der Weihnachtsmann ‘le Père de Noel’, mit dem die junge Frau ein Verhältnis hatte. Und folglich war der Sohn des ‘Père de Noel’ der ‘Fils de Noel’, der »Fis te Nöll«. Solche ungeklärten Verhältnisse nannte der mundartliche Volksmund »Fisternöllches«.
Offenbar haben sich in »Fisternölles«, »Fisternöllches« mehrere Etymologien sprachlich gekreuzt.
Quelle: Rh. WB Bd II, 1931
Auf der Such nach der Etymologie, stoßen wir auf Kink und Kinkert. Kink ist im rheinischen der kleine Finger. Im Neuss-Dormagener Raum spricht man von Kingert (kindersprachlich). en kleen Litzke ist ein kleines erbärmliches Kind (nachgewiesen im Mettmann-Velberter Raum).
Im Uerdingen Land bedeutet Litz soviel wie eine kleine Schnur. En Letz ist bei uns eine Litze.
Wenn also schon Kink oder Kenk etwas Kleines ist (e kleen Kenk!) und das dann auch noch tautologisch mit Litz verbunden ist, dann haben wir in klitzekleen (am Mittelrhein: litzeklen = winzig klein) eine ähnliche Bildung.
Wir finden die Kinkerlitzkes in folgenden Wendungen:
Dat send doch bloß Kinkerlitzkes.
Hör op met sone Kinkerlitzkes.
Mach kinn Kinkerlitzkes. Verzäll kinn Kinkerlitzkes.
Dat Lisbett köft sech bloß Kinkerlitzkes.
Ursprünglich ein Knäuel Garn, ist diese Bezeichnung in der Variante »Knüngel«, zumeist phonetisch als »Klüngel« besser sprechbar, im ganzen Rheinland in der Grundbedeutung ‘verworren’ verbreitet.
Häufig wird »Klüngel«, »Klöngel« in übertragener Bedeutung gebraucht: geheime Fäden knüpfen, Strippen ziehen, Verabredungen oder Vereinbarungen, die hinten herum oder unter der Hand getroffen werden (Vetternwirtschaft), vor allen bei öffentlichen Entscheidungen, um sich und Anderen oder einer Gruppe (Clique) unerkannt Vorteile zu verschaffen. Bekannt ist vor Allem »dr Kölsche Klüngel« oder »dr Nüsser Klöngel«, um dem Einen ein Pöstchen (e Pöstche) und dem Anderen ein Ämtchen (e Ämpche) oder einen Auftrag (ne Ofdrach) zu verschaffen. Von Köln aus hat sich diese Bedeutung nach Düsseldorf und ins Niederrheinische und darüber hinaus verbreitet. »Klöngel« wird aber auch in der Bedeutung ‘unklare Angelegenheit, ungeordneter Zustand’, in den kein Licht zu bringen ist, verwendet. In Düsseldorf wird auch gern das Verb »klöngele« benutzt, wenn etwas insgeheim ausgeheckt wird, was kein Anderer mitkriegen soll: »die send jett am usklöngele«; »dat hant die onger sech jeklöngelt«. »Klöngele« kann aber auch bedeuten: ein Verhältnis haben: »die klöngelt met alle Kähls« (die treibt es mit jedem).
Im Düsseldorfer Raum verbreitet finden sich Zusammensetzungen wie »Klöngelskram«, »Klöngelkrom« für Klüngelei, geheime Machenschaften, undurchschaubare Sachen und »Klöngelspitter« für jemanden, der »klöngelt«. »Klöngelech« ist einer, der schlampig, zerlumpt, unordentlich gekleidet ist, aber auch langsam seine Arbeit tut. »E klöngelech Verhältnes« hat einer, der in Düsseldorf liebelt ohne ernste Absicht.
Wenn es draußen klirrend kalt ist, dass der Frost die Glieder zusammenzieht, dann sagt der Rheinländer: ‘Et ess kniepech kalt’. Auch das Zusammenziehen der Augen, das Augen-zu-Knipsen, hängt sprachlich damit zusammen: ‘de Oore zo (zesamme) kniepe’.
Ein ‘Kniesbüüdel’ oder ‘Knister’ kann sowohl ein Geizkragen als auch ein schmutziger, ungepflegter Mensch sein oder sogar beides. Veraltet ist der abgeleitete Ausdruck ‘Knisterhannes’ für elender Geizhals. Das vor allem in Gerresheim übliche Adjektiv ‘kniestech’ heißt schmutzig, schmierig. Seit dem 14. Jh. ist ‘Knies, Kneis, Kneist, Knist, Gneist’ in der Bedeutung von Schmutz an Gegenständen oder am Körper vor allem im Rheinischen belegt. Der ‘Knas’ ist nur eine mundartliche Variante in ein und derselben Bedeutung.
In dem Begriff ‘Latzejestell’ verbirgt sich einesteils ‘Latz’, was soviel wie Latte heißt und ‘Jestell’, dem auf Standarddeutsch das Gestell entspricht. Der Begriff bedeutet also Lattengestell. Doch in der bildhaften Rheinischen Mundart ist ein ‘Latzejestell’ eine hagere Person, die so dünn und lang ist wie die Latten eines Lattengestells. Wenn es sich um eine hagere Frauensperson handelt, die zudem noch aufgedonnert (opjedonnert), also übertrieben herausgeputzt und geschminkt ist, dann nennt man in der Mundart dieses ‘Madämke’: ‘en tapezeerde Latz’. Wenn eine solche Person auch noch einen kleinen Hund an der Leine hat, dann ist dies ‘en Höngkesmadam’. Hat diese Person zudem noch einen alten, ausgefallenen Hut auf, dann heißt dieser ‘e Lüschke’ und diese Person ist dann uncharmanterweise ‘e Lüschhöhnche’ oder ‘Luschhöhnche’. ‘Lusch’ ist eigentlich das dünne Schilfrohr. Ein ‘Luschhohn’, im Diminutiv ‘Luschhöhnche’ ist eine buntes Teichhuhn, das auf Wasserflächen mit Schilf anzutreffen ist.
‘Möppske’, auch ‘Möbbelche’ ist die Koseform für ein kleines, liebes, rundliches, wohlgenährtes Kind, Mädchen.
‘Fies’ ist in der Mundart jemand oder etwas, das charakterlich widerwärtig, abstoßend, ekelhaft, ungepflegt wirkt: ne fiese Kähl, ne fiese Möpp; die kann ärch fies wähde; dä hät ne fiese Charakter.
Das Wort entstammt dem Niederdeutschen v?s.
Siehe auch: Rhein. WB Bd V; J. & W. Grimm: Deutsches WB1885; Der große Duden Bd 3, 1999
Jedenfalls kann ein ‘Neurötche’ einem schon gehörig auf die Nerven gehen.
Ein »Nonneföhzke« ist ein kleines Karnevalshefegebäck in rundlicher Form, das einseitig spitz zuläuft. Es wird in Öl gebacken und nach dem Abtropfen mit Zucker bestreut. Zur Etynologie: Der rheinische »Fohz« ist der Furz, der entweichende Darmwind des Standarddeutschen und »Föhzke« ist das dazu gehörende Diminutiv; »de Nonn« ist die Klosterfrau. Wenn der Darmwind entweicht, kann dabei auch ein wenig Konsistenz entfleuchen, das die Form eines »Nonneföhzke« haben kann. Auf Standarddeutsch müsste man ‘Heilige Blähung’ sagen. In Düsseldorfer Traditionsbäckereien sind die sehr beliebten »Nonneföhzkes« erhältlich, so auch in der Carlstadt bei J. Hinkel. »Nonneföhzkes« werden auch »Muzemändelches« oder »Muze« genannt.
Eine sprachliche Analyse
Panz und Penz sind im gesamten Rheinland übliche Begriffe unterschiedlicher etymologischer Herkunft und Bedeutung.
Panz
Panz geht etymologisch auf das Französische ‘la panse’ zurück, was der Pansen, der dicke Bauch, der Wanst, der Schmerbauch, der Pansen der Wiederkäuer bedeutet. Es ist gebräuchlich im Mittelfränkischen Gebiet der Mosel und der Süd- und Mitteleifel bis hinauf ins Ripuarische mit dem Großraum Köln bis an die Benrather Linie und darüber hinaus; hier allerdings zumeist in der pluralen Form ‘Pänz’.
Der Begriff ‘Panz’ bezeichnet auch den Rumpf bei Mensch und Tier und verächtlich den Unterleib, den Bauch besonders bei beleibten Leuten. Viele Bedeutungen werden bildhaft angewendet und sind im übertragenen Sinn zu verstehen: met sinne dicke Panz, sech de Panz voll stoppe (Eifel), sech e Pänzche aanjefresse han (Itter-Himmelgeist); auch: enem dr Panz voll haue; du kriegs dr Panz jehaue; enem en dr Panz tredde (kölnisch), ene verfresse Panz (kölnisch); dä kann dr Panz nit voll jenoch kreeje; de es te fuul, sinne Panz te drare (Mönchen-Gladbach); dat Wif hät der Düvel em Panz (im Ripuarischen); hä hät ehsch jenoch, wenn hä dr Panz voll hät (Volmerswerth); nur op de eijen Panz bedach sin (im Ripuarischen).
In der Westeifel bedeutet ‘Panz’ auch ‘kleiner, dickleibiger, missgestalteter, böswilliger Mensch’. Davon abgeleitet ‘freche Pänz, Sau-Pänz, fuhle Pänz met ene dicke Buk.
In allen Bedeutungsfällen, egal ob wertfrei oder übertragen, bezeichnet ‘Panz’ oder ‘Pänz’ immer etwas Kleines, Rundes, Dickes, Unförmliches. Darauf werden dann unliebsame Eigenschaften projiziert: böswilliger eigennütziger Mensch: ne fuule Panz.
Der Plural ‘Pänz’ wird allgemein in verächtlichem Sinn gebraucht, und hier zumeist zur Bezeichnung von ungeratenen, ungezogenen, Ärger erregenden Kindern: Du häs äwer Pänz; meng Pänz fresse mir de Hor vom Kopp (kölnisch); freche Pänz, fiese Pänz, fuule Pänz, die verdammte Pänz. Alle diese pluralen Formen sind auch im Düsseldorfer Rheinisch üblich.
Darüber hinaus gibt es den Begriff ‘Panz’ auch zur Bezeichnung von rundlichen und runden Sachen: Panzpott (bauchiger Krug: Eupen-Raeren); Panzrasen (Leibweh, im Ripuarischen).
Auch der Panzer ist ein unförmliches Ding, das auf den Begriff ‘Panz’ etymologisch zurück geht.
Penz
Penz leitet sich ab von Penning, Pennich, nhd. Pfennig, was soviel bedeutet wie kleine Münze (Geld), kleines Stück, kleiner, kurzer Stift, ein Pinn, Holzkeil. Im Angelsächsischen wird daraus Pence, ein kleines Münzstück.
Im Düsseldorfer Rheinisch bezeichnet man mit ‘Penz’ einen kleinen Jungen, egal ob im Singular oder Plural. In jedem Fall ist es ein wertfreier Begriff, der in der Erweiterung die kleinen Kinder im Allgemeinen umfasst: De Penz von de Citta send nohloope am speele; dat send onse Penz; de Penz vom Wisse Sonndaach.
Gekreuzt hat sich Penz gelegentlich mit dem negativ belegten, jiddisch-rotwelschen ‘Pennes’ (Pennbruder).
Beide Begriffe Pänz und Penz sind homophon, also gleich lautend. Darin liegt äußerlich die Schwierigkeit der Schreibung. Dieser Schwierigkeit kann man aber elegant aus dem Wege gehen, wenn man das auf Panz zurückgehende, zumeist negativ besetzte Pänz mit ä, was etymologisch angemessen ist und Penz mit e schreibt, was sich auch etymologisch begründen lässt.
Dat send janz leeve Penz! — Dat send äwer fiese Pänz!
Den Ausdruck gibt es auch im Standarddeutsch: Pfennigsfuchser.
Aber: was hat der Fuchs mit dem Geld zu tun?
Der Fuchs gilt als schlaues, listenreiches Tier: Ne Fuchs hät ne schlaue Buk. Passt op Ehr Lütt, passt op, Ehr Lütt, dr Fuchs setz en dr Jahde, on friss Üch all de Druve af, on driss Üch op de Blare. Dr Fuchs süht en et Loch, eh dat hä erin krüfft.
Diese Schläue überträgt sich sprachlich auch auf den Menschen: Dä es schlau als wie ne Fuchs. Das von Fuchs abgeleitete Verb lautet im Standarddeutsch ‘fuchsen’, in der Rheinischen Mundart ‘fuchse’ und meint: einen (sich) ärgern. Dat hät mech äwer jefuchs. Ist der Mensch mit allen Wassern gewaschen, listig, verschmitzt, verschlagen, dann ess hä usjefuchs. Dat ess ne usjefuchste Pitter.
Von dem Verb ‘fuchse’ leitet sich das Substantiv ‘Fuchser’ her. ‘Ne Fuchser’ ist jemand, der sehr wohl weiß, mit den Dingen, besonders mit kleinen Dingen umzugehen. Und damit wären wir wieder bei den Kleinigkeiten, bei den Geldstücken. Der Fuchser ist ein übertrieben sparsamer Mensch, der aber erwerbstüchtig ist. Dass dabei der Geiz eine gewisse Rolle spielt, ja, dass er auch zum Kleinigkeitskrämer werden kann, ist nicht auszuschließen. Ne Penningsfuchser deht de Jröschelches fönnef Mol erömdriehe. Hä passt dobei op wie ne Fuchs, dat em nix dörch de Fenger jeht.
Buckping es besser als Zangping.
Nä, wat es dat för ne Pingel!
Dat es Pingels Kram.
Do bes äwer ärch pingelech!
Solche Wendungen hört man täglich.
Der Ursprung des all diesen Wendungen zugrunde liegenden Begriffs ‘Ping’ liegt im Lateinischen poena, was soviel wie ‘Schmerz, Leid’, aber auch ‘Strafe’ bedeutet.
Wer viel auszustehen hat, wer viel zu leiden oder zu ertragen hat, dä moss vell Ping liede, vell Ping usstonn.
Das kann auch seelische Not sein.
Wenn einer Bauchweh, Zahnweh, Zahnschmerzen, Kopfschmerzen oder Leibschmerzen hat, dä hät Buckping, Zangping, Koppping, Lievping, odder Ping em Liev.
Wenn eener ne Pingel es odder ne pingeleje Kähl odder ne Pingellöres, dann ist es ein Mensch, der ein Geizhals und / oder ein übertrieben genauer, überempfindlicher, überängstlicher, auch schnell beleidigter Mensch ist.
Das Adjektiv dazu lautet ‘pingelech’ und wurde umgangssprachlich als ‘pingelig’ ins Normdeutsch übernommen.
Pingelech hat eine große Bedeutungsbreite: genau, peinlich genau, kleinlich, wählerisch, ängstlich, sehr empfindlich, wehleidig, leicht gereizt, schnell beleidigt, zimperlich, übertrieben genau, übertrieben ordnungsliebend, auch: knauserisch, geizig.
Wer etwas sehr genau, übertrieben genau nimmt, dä es dodren ärch pingelech.
Dem Normdeutschen ‘Kleinkram’ entspricht im Düsseldorfer Rheinisch: dr Pingelskram (Pingels Kram).
Wer sich nicht wohl fühlt, dä hät Ping em Liev (im Leib).
Und wenn einer Ängste ausgestanden hat, dann hät dä döchtech vell Ping jehatt, vell Ping usjestange.
Wenn der aber nur sehr ängstlich ist, dann es dä eso pingelech als wie e roh Ei.
Damit der so Angesprochene sich nicht so anstellen soll, dann sagt man: Sidd doch bloß nit eso pingelech!
Das Normdeutsche ‘penibel’, das zu uns über das Französische ‘pénible’ gekommen ist, stammt übrigens aus der gleichen lateinischen Wurzel ‘poena’ = die Pein, das Weh, die Strafe.
Eine Sache peinlich genau behandeln, kann unter Umständen sträflich, also ‘pingelech’ sein und wenn man dabei noch Erbsen zählt, dann kann das auf Andere verdammt penibel wirken. Hier zeigt sich, wie ein Begriff (auch fremdwörtlichen Ursprungs) von der Mundart in die Normsprache wandert, wie also mundartliche Begriffe (Wörter) die Normsprache bereichern. Das belegen viele Beispiele. Unsere deutsche Normsprache lebt aus der Mundart, bei uns aus dem Rheinischen … und mit dieser Feststellung brauchen wir gar nicht so pingelig, rheinisch: pingelech, zu sein, womit wir den sprachlichen Bogen bis zu Konrad Adenauer geschlagen hätten.
Lommer als nit eso pingelech sin!
Die Form Pittermann und das Diminutiv Pittermänneke (Pittermännche) sind Koseformen von Peter, Pitter.
Im übertragenen Sinn ist das Pittermännche, Pittermänneke ein kleiner Mann, am Niederrhein auch der kleine Finger. Im kurtrierer Raum war das Pittermännche eine kleine Münze mit dem Bildnis des Petrus. In Aachen gab es eine kleine Silbermünze, die bis Anfang des 19. Jhds. im Umlauf war. Bis 1860 gab es eine kleine, dünne preußische Silber-Münze von 25 Pfennig, die den Namen Pittermann erhielt, die von einer sehr kleinen 20-Pfennig-Münze, die bis 1880 im Umlauf war, ersetzt wurde. Der Peterspfennig ist bekanntermaßen das Geld, das man der Kirche zu geben hatte und mit dem der Petersdom in Rom gebaut wurde. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass sehr kleine Münzen diesen Namen erhielten, auch wenn sie nichts mehr mit der Kirche zu tun hatten.
Die Kleinheit des Gegenstandes hat sich auch auf Gefäße übertragen.
Im Düsseldorfer Raum wird ein kleines, 5-Liter-Fass, das man in den Brauereien erhält, Pittermann, genannt. Auch ein kleiner, aber lieber Junge wird kosend ‘Pittermänneke’ oder ‘onse leeve Pittermann’ genannt, egal wie er wirklich hieß.
Der Ausdruck besteht aus zwei Teilen: Plüsch und Prumm.
‘Plüsch’ bedeutet Samt, kurz geschnittener, weicher Haarschopf zumeist bei kleinen Kindern, über den man zärtlich streicht. Da die Oberfläche eines Pfirsich sich samtig anfühlt, hat sich diese Bedeutung auf die seidig behaarte Steinfrucht übertragen. Der Wortteil ‘Plüsch’ findet sich auch in ‘Plüschaap’, ‘Plüschsoffa’ u.a.
Der Wortteil ‘Prumm’ bezeichnet die Pflaume und leitet sich aus dem Niederländischen bzw. aus dem Französischen ‘la prune’ ab.
Ein Quissel, ‘ne Quissel’ ist urspründlich ein beweglicher, kleiner Mann, ein flottes, kleines Kind, eine behände Person, also jemand, der sich emsig um etwas kümmert. Der Begriff hat aber eine Bedeutungsverschlechterung durchgemacht und bezeichnet vor allem im Düsseldorfer Raum eine Person, eine Frau, die ständig etwas auszusetzen hat, die übertrieben kleinlich, pingelig ist: Nä, wat es dat för ene Quissel. Dat es ene onanjenähme Quissel. Als Nebenbedeutung gibt es auch noch: scheinheilige Betschwester und quisselech in der Bedeutung von zimperlich. ‘Die ahl Quissel es dr Janze Daach en de Kerk. Wie kammer bloß eso quisselech sin. Quisselech bedeutet auch: nervös, von innerer Unruhe getrieben.
Es gibt auch den Ausdruck ‘Quisselskram’, womit die kleinen Dinge gemeint sind.
In der Etymologie vermutet man einen Zusammenhang zu ‘Wiesel, wieseln = sich unruhig, schnell bewegen.
Der Wortteil ‘sal-‘ kommt aus dem Französischen ‘sale’ und bedeutet ‘schmutzig, dreckig, dunkel’, auch im übertragenen Sinn: un sale type’. (Quelle: Rhein. WB Bd VII 1958)
Das ‘sale’ an den Schaufenstern kann auf nicht mehr brauchbare Ware hinweisen oder auf nicht geputzte, schmutzige Schaufensterscheiben … hinter denen es billige Ware gibt. Vielleicht ist der Kaufmann der Schlussverkaufsware aber auch ein Verehrer des Heiligen François de Sale?
Das Verb dazu heißt: spekeleere und bedeutet: nach etwas trachten, auf etwas lauern, etwas auskundschaften, aber unbemerkt, auch geschäftlich spekulieren: dä spekeleert on hät spekeleert, jezz esse bangkrott. Hä hät falsch spekeleert, hä hät sech kapott spekeleert.
Der Ausdruck stammt aus dem Französischen: spéculer und heißt: denken, nachdenken, grübeln, trachten, spekulieren. Er ist über das Mosellanische, die Eifel zu uns gekommen.
‘Wä spekeleert, dä profeteert’ sagt man in der Eifel (Schleiden).
Und damit sind wir etymologisch in der Phonetik. Der Spirans, die Spiranten sind Reibelaute, also Konsonanten, die durch hörbar ausströmende Atemluft artikuliert werden. Die aus der engen Mundöffnung ausströmende Atemluft erzeugt Töne, Zischtöne, die so nebenbei hörbar werden wie: zs, šş, ç, j ĵ, w, v, f.
Die Kleinigkeiten, die heimlichen Faxen, die man so nebenbei macht, sind wie die Reibelaute, die bei der ′in die Enge′ getriebenen Luft, zischend als Nebenprodukt der Artikulation hörbar werden.
Und damit sind wir bei des Wortes Kern. Wer sich sprachlich nicht klar ausdrückt, wer nuschelt, wer zischend, also unartikuliert spricht, erweckt den hörbaren Eindruck, als habe er etwas zu verbergen. Oder anders ausgedrückt: Er druckst (sprachlich) herum, als ob er Dummes täte. Vielleicht will er das auch so. Vielleicht will er ja gerade diesen Anschein erwecken, um seine eigentliche Absicht zu verbergen.
So entsteht aus einem sprachlichen Phänomen eine Bedeutungserweiterung. Oft ist die Absicht allerdings durchschaubar: Mach doch nit so dumme Spirenskes!
Es entstammt dem Jiddischen bzw. Rotwelschen ‘Schtike, štike’, was soviel wie ‘Stille, Schweigen, Ruhe’ bedeutet. ‘Hä hät sech janz stiekum verdröckt’ = Er hat sich heimlich davongemacht. ‘Sech stiekum halde’ = sich bedeckt halten. ‘Dat hät hä met däm stiekum usjemaht’ = Das hat er mit ihm heimlich, still und leise verabredet. ‘Dat Lissa deht et met dem Pitter stiekum’ = Lisa treibt es heimlich mit Peter.
Stiekum, irgendwann einmal von ‘stiekem’, das es auch im Niederländischen gibt, latinisiert, ist im ganzen Rheinland verbreitet.
Unter guten Freunden und Bekannten ist häufig in Df die Formel «Tschüss« üblich. Varianten davon werden sowohl in der Hochsprache wie in der Mundart – und das gilt nicht nur für das Rheinische – angewendet: Tschöh, Schöh, Schüss, Atschüss, Adjüs, Schökes, Schö-öö, auch Ade (Adé) im süddeutschen Raum.
Allen diesen Verabschiedungsformeln liegt das französische »à Dieu« (mit Gott, Gott befohlen) zu Grunde, das ab 1600 als Modewort in unsere Sprache eindrang. Das »Ade« geht zwar auch auf »A Dieu« zurück, ist aber wesentlich älter. Es entstammt als Abschiedsformel dem Altfranzösischen des 11. Jhds. »A Deu«, »Adé« in der Bedeutung: (Du seiest) Gott empfohlen, Geh mit Gott. Hieraus hat sich im Mittelhochdeutschen ‘Ade’, gesprochen ‘adee’ entwickelt. Auch das Italienische »Ciao« hängt sprachlich mit »à Dieu« zusammen.
Quelle: A. Dauzat u.a.: Nouveau Dictionnaire Etymologique et historique, Paris 1994
Friedrich Kluge, Etymologisches Wörterbuch der Deutschen Sprache, Berlin 1975
Im Düsseldorfer Raum ist ein Zöbbel ein ‘nachlässiger Mensch’: Du bes ene verdammte Zöbbel. Ein Zöbbel ist aber auch ein ‘frescher Kerl, ein ungezogener Junge’: Hä es ene Zöbbel von ene Jong’, Du Zöbbel, du solls Dech jet schäme!’
Von Zöbbel abgeleitet ist: Jezöbbels, was soviel heißt, wie ungepflegte, unordentliche, zottelige Haare, Frisur.
Die Herkunft des Begriffs ‘Zöbbel’ geht zurück auf das Schweizerisch-schwäbische ‘Zobeli, Zobele, was soviel heißt, wie zerzauster, unordentlicher Mensch mit wildem Haar. Es ist seit dem 16. Jh. nachgewiesen. Über das Elsass und die Pfalz ist dieses Wort zu uns gewandert. Es gibt dort auch das Verb ‘zobeln’ = an den Haaren ziehen, zerzausen.
Die Verdoppelung des b und die Mutierung des o zu ö sind typisch rheinische Sprachvorgänge.